Zuerst erschienen auf meinem LinkedIn-Profil am 27. Februar 2025
»Anpassung oder Bedeutungslosigkeit?«
Gestern diskutierte ich mit geschätzten TV-Branchen-Kolleg:innen angeregt über ein Thema, das mich schon länger fasziniert: Die Disruption der Bewegtbild-Branchen durch KI (»text to video«/»image to video«).
Zur Zukunft betreffs KI-Bewegtbild-Generierung und deren Impact auf die Branchen Film, Fernsehen, Streaming, Marketing und Werbung sehe ich 7 Entwicklungen:
🎥 1. Kreativität schlägt »Production Value«
KI-Tools ermöglichen es kleinen Teams, sogar Einzelpersonen, hochwertige Filme ohne große Budgets zu erstellen. Dies wird zu einer Demokratisierung der Bewegtbildproduktion und infolgedessen zu einer regelrechten Content-Sturmflut führen.
Die Konsequenz: Produktionelle Berufsgruppen (Kamera, Licht, Produktions- und Aufnahmeleitung, Requisite, Kostüm, Baubühne et cetera) geraten in Gefahr, von der Brandung fortgespült zu werden, während sich Creator:innen ungeahnte Chancen bieten, mit der Welle zu surfen. Denn: Bedeutender als aufwändige Produktionsmittel werden Storytelling und visuelle Kreativität.
🚀 2. Radikale Beschleunigung
Wer nicht mit KI arbeitet, fällt zurück. Streaming-Dienste können bald schon täglich neue KI-generierte Serienepisoden veröffentlichen. Prädestiniertes erstes Marktsegment dafür wird vormals 3-D-computergenerierter oder Trickfilm-Content sein.
Was sich ebenfalls beschleunigt: Der Feedback-Prozess von Publikumsreaktion bis Adaption seitens der Produzent:innen. Content Creator werden deutlich schneller auf Begeisterung oder Ablehnung seitens des Publikums reagieren (müssen).
🔍 3. Neue Schlüsselkompetenz: Kuration
Angesichts der zu erwartenden Flut von KI-generiertem Content wird das Auffinden, Einordnen, Kritisieren und Bewerten der Inhalte entscheidend. Womöglich entstehen neue Berufsfelder für Visual Jockeys, Kurator:innen, Kritiker:innen und Qualitätssicherer.
🤖 4. Konkurrieren mit Menschen: Virtuelle Stars.
Virtuelle Influencer:innen mit eigener Social-Media-Präsenz (wie heute schon Lu do Magalu, Lil Miquela) werden zur neuen Normalität, jetzt auch als Film- und Serien-Stars.
Künstliche Personen werden mit menschlichen Darsteller:innen konkurrieren. Mysteriöse Stars werden reüssieren, deren Geheimnis, ob sie reale Personen sind oder nicht, Spekulationen anheizt.
📺 5. »Bespoke Content« & Präzisisons-Product-Placement
Dass der umgestaltende Eingriff per KI immer schneller umsetzbar wird, wird maßgeschneideten »Bespoke Content« für einzelne Zuschauer:innen ermöglichen. So werden Präzisions-Product-Placement die klassischen, nervigen Werbeunterbrechungen ersetzen: Produkte werden direkt im Bewegtbild erscheinen: als Kleidung, die die Darsteller:innen tragen, als Requisiten, mit denen sie agieren. Das Publikum wird den Videostream jederzeit stoppen, per Scroll-over Informationen zum jeweiligen Produkt abrufen und es sofort kaufen können.
KI wird auch eine algorithmische Anpassung an die Zuschauer:innen ermöglichen, sodass in ein und derselben Episode unterschiedliche Produkte beworben werden, je nachdem, wer sie schaut.
🎭 6. Werden zur Notwendigkeit: Echtheits-Gütesiegel
Deepfake-Technologie wird zur Gefahr für das Bewegtbild als beglaubigendes (Beweis-)Dokument. Erforderlich wird eine neue digitale Forensik, die die Echtheit zügig zu prüfen erlaubt.
Notwendig wird folglich das Entwickeln von Gütesiegeln, fälschungssicheren »Wasserzeichen«, die »Echtheit« garantieren.
Ebenso notwendig ist Klarheit: Wie lässt sich garantieren, dass originelle Leistungen von Creator:innen nicht ungewürdigt und unvergütet gestohlen, kopiert und vervielfacht werden?
🏆 7. Aufwertung authentischer Filmproduktionen
Wenn KI-Bewegtbild-Content inflationär wird, gewinnen analoge Drehs an Originalschauplätzen mit realen Schauspieler:innen an Prestige. Sie werden zur Haute Couture, zur gehobenen Schneiderei, werden goutiert als wertvolle Handwerkskunst.
Wer künstlerisch herausragen möchte, betont Echtheit und Authentizität – eine Beispielidee findet sich in Lars-von-Triers bedauerlicherweise nicht fertiggestelltem Filmprojekt »Dimensions«: Der Regisseur plante, den natürlichen Alterungsprozess seiner Darsteller:innen mit einfließen zu lassen. Eine besondere Würdigung authentischer Menschen in ihrer Vergänglichkeit.
Auch Live-Events, Theater, Performances profitieren von gesteigertem »Echtheits«-Wert.
🔮 Zukunft der Kreativberufe – Veränderung als Chance
Statt Angst, von KI ersetzt zu werden, empfehle ich Storyteller- und Creator:innen Neugier und Experimentierfreude.
Die Veränderungen, die auf uns zurollen, erscheinen zwar gewaltig, aber eben auch unausweichlich. Und: Jede technologische Revolution bringt nicht nur Herausforderungen, sondern auch ungeahnte Chancen mit sich.


Schreibe einen Kommentar